Afghanistan (paschtunisch und persisch افغانستان, DMG Afġānistān) ist ein Binnenstaat an der Schnittstelle von Suedasien, Zentralasien und Vorderasien, der an Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, die Volksrepublik China und Pakistan grenzt. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugaenglichen Gebirgsregionen.
Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 besiegten – von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien finanzierte – Mudschaheddin die von der Sowjetunion gestuetzte Regierung. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitaeten; die fundamentalistisch islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen an die Macht und setzten eine radikale Interpretation des Islam und insbesondere der Scharia mit aller Haerte durch. Nach den Terroranschlaegen am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten wurde das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewaehrt hatte, im massgeblich von den Vereinigten Staaten gefuehrten Krieg gegen den Terror gestuerzt. Seither bestimmte dieser auch in Afghanistan gefuehrte Krieg das Geschehen.
Das Land konstituierte sich waehrend der internationalen Stabilisierungsmission (ISAF) durch die Verfassung von 2004 als demokratische, islamische Republik. Von 2004 bis 2014 war Hamid Karzai Praesident der Islamischen Republik Afghanistan. Nach der Praesidentschaftswahl 2014 wurde Aschraf Ghani zum Sieger erklaert und am 29. September 2014 als Staatsoberhaupt vereidigt. Nach dem Abzug der internationalen Truppen Ende August 2021 erlangten die Taliban schnell wieder Kontrolle ueber das Land und proklamierten das Islamische Emirat Afghanistan. In diesem verueben die Taliban massive Menschenrechtsverletzungen.
Im weltweiten Demokratieindex belegte Afghanistan 2021 mit Abstand den letzten Platz.
Topografie
Afghanistan ist ein Binnenstaat mit strategischer Bedeutung in der Region. Das Land ist groesstenteils Gebirgsland. Weniger als 10 Prozent der Landesflaeche liegen unterhalb von 600 m. Das zentrale Bergland besteht aus mehreren Gebirgszuegen, deren hoechster der Koh-e Baba (bis 5048 m) ist. Der Hindukusch (bis 7500 m) liegt im Nordosten, der Safed Koh (bis 4755 m) im Osten an der Grenze zu Pakistan. An dieser 2643 Kilometer langen Demarkationslinie befindet sich die Durand-Linie.
Im Suedwesten befindet sich eine abflusslose Ebene mit dem Hilmendsee an der Grenze zum Iran. Sein wichtigster Zufluss ist der Hilmend, der im Osten des Landes nahe der Hauptstadt Kabul entspringt. Afghanistan ist vor allem ein Gebirgsland im oestlichen Iranischen Hochland. Nur im Norden liegen Ebenen am Amudarja und im Suedwesten kleinere wuestenartige Becken. Der Nordosten wird vom Hindukusch durchzogen. Zwischen dem Becken von Kabul und dem noerdlichen Landesteil besteht seit 1964 eine winterfeste Strassenverbindung ueber den Gebirgskamm mit einem fast 3 km langen Tunnel (Salangpass-Strasse). Durch den Wachankorridor im Pamirgebirge besitzt Afghanistan auch mit der Volksrepublik China eine gemeinsame Grenze.
Landschaften in Afghanistan
Der suedliche Hindukusch faellt steil in die Landschaft Nuristan ab, die teilweise noch von Nadelwaeldern bedeckt ist. Die Landschaften zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Chaiber-Pass an der Grenze zu Pakistan sind der politische und wirtschaftliche Kernraum des Landes. Siedlungskern im westlichen Afghanistan ist die Stadt Herat. Das suedliche und suedwestliche Afghanistan besteht aus Wuesten und Halbwuesten. Es wird nur vom Hilmend durchflossen, der der laengste afghanische Fluss ist. Der Hilmend endet in den Salzseen von Sistan an der Grenze zum Iran. OEstlich des Hilmend liegt die Wueste Rigestan („Sandland“) und westlich des Hilmend die vorwiegend aus Schotter und Lehmflaechen bestehende Dascht-e Margo.
Im nordoestlichen Hindukusch-Gebirgszug und in Teilen der Provinz Badachschan bebt haeufig die Erde. Solche Erdbeben verursachen Erdrutsche und im Winter Schneelawinen. In einem starken Erdbeben am 30. Mai 1998 im Gebiet der Provinz Badachschan starben ungefaehr 6000 Menschen. Auch im Maerz 2002 starben dort tausende Menschen. 2012 zerstoerte ein Erdbeben ueber 2000 Haeuser; elf Menschen starben.
In Afghanistan gibt es Kohle, Kupfer, Eisenerz, Lithium, Uran, Metalle der Seltenen Erden, Chromit, Gold, Zink, Talk, Baryt, Schwefel, Blei, Marmor, Schmuckstein, Erdgas, Erdoel und weitere Rohstoffe. 2010 schaetzten die US-amerikanische und die afghanische Regierung den Wert der bis 2007 gefundenen, aber noch ungenutzten Mineralvorkommen auf einen Wert zwischen 900 und 3000 Milliarden US-Dollar.
Der hoechste Punkt des Landes ist der Gipfel des 7485 m hohen Noshak im Hindukusch. Der tiefstgelegene Punkt (285 m) liegt in der Flussebene des Amudarja an der Grenze zu Turkmenistan.
Die Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan zaehlen zu den in der westlichen Welt bekanntesten Sehenswuerdigkeiten. Sie sind seit 2009 als erster Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen.
Klima
In Afghanistan herrscht ein kontinentales Klima mit heissen trockenen Sommern (nur im aeussersten Suedosten bringt der Monsun Regen) und sehr kalten Wintern. Die winterlichen Westwinde bringen meist maessige Niederschlaege. Im Winter sind wegen der grossen Hoehe des Landes vor allem im Norden gelegentlich auch Schneefaelle bis in die Taeler moeglich. Klimatisch gehoert der Sueden des Landes bereits zu den waermeren Subtropen, in denen der Anbau von Dattelpalmen moeglich ist, waehrend der Norden eher zur gemaessigten Zone gehoert. Im Jahr 2000 hatte die Haelfte der Bevoelkerung unter einer der haeufig auftretenden schweren Duerren zu leiden. Solche Duerren koennten sich in Zukunft haeufen; die Globale Erwaermung koennte dazu fuehren, dass vor allem im Winter und Fruehjahr weniger Niederschlaege fallen (→ arideres Klima). Fuer den vom Monsun betroffenen Sued-Osten steht hingegen zu erwarten, dass die Niederschlagsmengen im Sommer staerker variieren; durch die zusaetzliche Erwaermung der Atmosphaere wird auch das indische Monsunsystem labiler. Besonders die Landwirtschaft (in der viele Afghanen arbeiten) koennte negativ betroffen werden.
Flora
Mit bis zu 5000 vermuteten hoeheren Pflanzenarten weist Afghanistan eine angesichts der Trockenheit recht hohe Artenzahl aus (zum Vergleich: fuer die etwa halb so grosse Bundesrepublik Deutschland werden um die 4000 Pflanzenarten geschaetzt). Mit einem Anteil endemischer Arten von rund 30 % ist die afghanische Flora sehr reich an Pflanzen, die sonst nirgends auf der Welt vorkommen.
Weite Teile des Landes sind durch menschlichen Einfluss umgestaltet, jahrtausendelange UEberweidung, Entwaldung und landwirtschaftliche Nutzung haben trotz der Groesse des Landes dazu gefuehrt, dass nur sehr wenige, insbesondere abgelegene Regionen, noch eine natuerliche Vegetation aufweisen. Eine kontinuierliche floristische Erforschung Afghanistans begann erst Mitte des 20. Jahrhunderts, auch sie ist durch die politische Situation des Staates erschwert.
Naturschutz
Afghanistan weist eine grosse Habitatdiversitaet mit sehr unterschiedlichen oekologischen Bedingungen auf. Der Etablierung eines systematischen Naturschutzes steht die seit Jahrzehnten instabile politische Situation des Landes entgegen, erst 2009 wurde mit den Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan der erste Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen. Er besteht aus sechs spektakulaeren tuerkisfarbenen Seen, die durch natuerliche Travertindaemme getrennt sind.
Bevoelkerung
Bevoelkerungsentwicklung, Fertilitaets- und Nettoreproduktionsraten von 1950 bis 2021; Prognose der Bevoelkerungsentwicklung bis 2032; Schaetzung der Vereinten Nationen 2022
Blaue Kurve (linke y-Achse): Gesamtbevoelkerung jeweils zum 1. Juli in Tausend
Blaue gepunktete Kurve (linke y-Achse): Gesamtbevoelkerung jeweils zum 1. Juli in Tausend, Mittlere Prognose (Medium variant)
Rote Kurve (rechte y-Achse): Gesamtfruchtbarkeitsrate (Lebendgeburten pro Frau)
Gelbe Kurve (rechte y-Achse): Nettoreproduktionsrate (ueberlebende Toechter pro Frau)
Afghanistan hat eine sehr junge Bevoelkerung
Afghanistan hatte 2021 40,1 Millionen Einwohner. Das jaehrliche Bevoelkerungswachstum betrug +2,9 %. Afghanistan hatte damals eine der juengsten und am schnellsten wachsenden Bevoelkerungen weltweit, die Bevoelkerungszahl hatte sich bis 2021 trotz mehrerer Kriege von 13,4 Millionen Menschen im Jahr 1980 verdreifacht.
Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 4,8. Ausserhalb Afrikas ist Afghanistan das Land mit der hoechsten Fruchtbarkeitsrate der Welt. Die meisten Frauen haben keinen Zugang zu Verhuetungsmitteln und werden oft sehr jung schwanger.
2050 soll Afghanistan gemaess einer Schaetzung 61 Millionen Einwohner haben, was die begrenzten Ressourcen des Landes stark belasten wuerde.
Staedte
Im Jahr 2020 lebten 26 Prozent der Einwohner Afghanistans in Staedten. 5 Prozent leben als Nomaden.[24] Die groessten Staedte waren im Jahr 2019 Kabul (4,273 Mill. Einwohner), Herat (556.200 Ew.), Kandahar (506.800 Ew.), Masar-e Scharif (469.200 Ew.), Dschalalabad (263.300 Ew.) und Kundus (183.300 Ew.).
Siehe auch: Liste der Staedte in Afghanistan
Ethnien
→ Hauptartikel: Ethnien in Afghanistan
Vereinfachte Darstellung der Siedlungsgebiete der groessten ethnischen Gruppen Afghanistans (nach Daten der CIA 1981)
Maedchen im ehemaligen US-amerikanischen Camp Phoenix in Kabul bei einem Programm zur Unterstuetzung afghanischer Frauen mit einer zivilen Mitarbeiterin der ISAF, 2012.
Die Bevoelkerung des Landes fuehlt sich einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Staemme zugehoerig; aus historischen Gruenden sehen sich die Paschtunen, die groesste Ethnie Afghanistans, oft als staatstragendes Volk. In vielen Gegenden leben mehrere Volksgruppen miteinander; die Zugehoerigkeit zu einer der Gruppen ist statistisch nicht erfasst und kann nur geschaetzt werden. Die Zuordnung des Einzelnen zu einer bestimmten ethnischen Gruppe ist zudem nicht immer eindeutig, da sich Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung haeufig unterscheiden. Die im Folgenden angegebenen Werte basieren auf der Bevoelkerungszahl des Jahres 2009.
„Paschtonen“ Die zahlenmaessig groessten Untergruppen sind die Durrani (Sueden und Westen) und die Ghilzai (Osten). Den Paschtunen zugeordnet sind auch mehrere Nomadenstaemme, allen voran die Kutschi mit rund 5 Millionen Menschen. Die Nomaden sind durch Artikel 14 der afghanischen Verfassung besonders geschuetzt („Der Staat entwickelt und implementiert wirksame Programme zur Ansiedlung der Nomaden und zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen“); beispielsweise wurden den Kutschi in Artikel 84 zwei Vertreter in der Meschrano Dschirga zugesagt, die vom Praesidenten ernannt werden. Ausserdem koennen nach dem Wahlgesetz von 2005 die Kutschi zehn Abgeordnete in die Wolesi Dschirga entsenden.
„Tadschik“ ist eine allgemeine Bezeichnung der persischsprachigen Bevoelkerung in Afghanistan, oft wird diese auch als „Parsiwan“ („Persischsprecher“) oder, im Osten und Sueden, als „Dihgan“ und „Dihwar“ („Dorfbesitzer“, im Sinne von „sesshaft“) bezeichnet.[30] Die Tadschiken sind keine von der persischstaemmigen Bevoelkerung der Nachbarstaaten abgegrenzte Ethnie; im Westen des Landes bilden sie die direkte Fortsetzung der persischsprachigen Bevoelkerung des Irans, im Norden die der persischsprachigen Bevoelkerung Zentralasiens, die ebenfalls als Tadschiken bezeichnet wird (vgl. Tadschikistan).[30] Der Begriff „Tadschik“ wird von anderen Gruppen oft als Sammelname fuer jene Bevoelkerungsteile verwendet, die keiner Stammesgesellschaft angehoeren, Persisch sprechen und ueberwiegend sunnitischen Glaubens sind. Auch andere persischsprachige Gruppen, z. B. die „Qizilbasch“ und die „Aimaken“, identifizieren sich zunehmend als Tadschiken.[31]
Hazara, ebenfalls persischsprachig, jedoch groesstenteils schiitischen Glaubens und mongolischer Abstammung, stellen etwa 9 % der Bevoelkerung dar. Aufgrund ihrer ethnischen und religioesen Zugehoerigkeit wurden sie in Afghanistan diskriminiert, verfolgt und zuweilen gezielt getoetet.
Die Usbeken, eines der vielen Turkvoelker Zentralasiens, stellen etwa 9 % der Bevoelkerung Afghanistans.
Die Sayyiden, die sich von der Familie des Propheten Mohammed herleiten, nehmen in Afghanistan einen Ehrenplatz ein. Die Mehrheit der Sayyiden, die sich auf Balch und Kundus im Norden und Nangarhar im Osten konzentriert, sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehoeren. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im noerdlichen Hedschas-Gebiet und in Britisch-Indien gleichermassen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein [den ersten schiitischen Maertyrern], Soehnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.[32] Am 15. Maerz 2019 beschloss Praesident Aschraf Ghani, den „Stamm der Sadat“ in den elektronisch erfassten nationalen Personaldaten zu erwaehnen.[33]
Daneben gibt es mehrere kleine Gruppen: die Aimaken (4 %), Turkmenen (3–4 %), Belutschen (2 %), Nuristani und zahlreiche weitere Ethnien (4 %).
Nach 1992 praegten ethnische Konflikte die Auseinandersetzungen zwischen den Mudschaheddin. Die traditionellen Herrscher Afghanistans waren die Paschtunen, sie bilden auch die grosse Mehrheit der Taliban-Bewegung. Der Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 gab einer Allianz aus Tadschiken, Hazara und Usbeken die Gelegenheit, ein Abkommen ueber die Aufteilung der Macht durchzusetzen. Die Paschtunen sehen sich seitdem Vergeltungsangriffen ausgesetzt. Unter den Taliban war es darueber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten gekommen.
Im Jahre 2017 waren 0,4 % der Bevoelkerung im Ausland geboren.[34][35]
Sprachen
Distrikte mit der jeweils demographisch dominanten Sprache (nach dem Nationalen Atlas der Demokratischen Republik Afghanistan 1985):
Persisch (Dari)
Paschto
Usbekisch
Turkmenisch
Belutschisch
Nuristani
Pashai
In Afghanistan werden etwa 49 Sprachen[36] und ueber 200 verschiedene Dialekte gesprochen. 1964 bestimmte die Grosse Ratsversammlung (Loja Dschirga) im Rahmen der Bestaetigung einer neuen Verfassung Persisch („Dari“) und Paschto als offizielle Landes- und Regierungssprachen (Amtssprachen).
Paschto
Paschto, die Sprache der Paschtunen, ist per koeniglichem Dekret seit 1936 Amtssprache[1] und wird von rund 35 bis 38 % der Bevoelkerung als Muttersprache gesprochen;[37] andere Schaetzungen gehen bis 55 %, was jedoch weit ueber dem Anteil der Paschtunen an der afghanischen Bevoelkerung liegt und die dominierende Rolle des Dari als Lingua franca ausser Acht laesst.[1][2] Traditionell wird die Nationalhymne Afghanistans in Paschto gesungen. Auch militaerische Titel sind der paschtunischen Sprache entliehen.
Persisch (Dari)
Hauptartikel: Dari-Persisch
Dari (درى) ist die offizielle in Afghanistan gebraeuchliche Bezeichnung fuer die persische Sprache. Der Begriff ist von Fārsī-ye Darbārī, „Persisch des koeniglichen Hofes“ (فارسی درباری) abgeleitet. Als Muttersprache wird es in Afghanistan insbesondere von den Tadschiken und den Hazara gesprochen, die zusammen ca. 35 bis 45 % der Bevoelkerung des Landes bilden.[37] Weitere Muttersprachler sind Teile der paschtunischen Bevoelkerung und die Aimaken.
Persisch war seit dem Mittelalter die dominierende Verwaltungs- und Kultursprache der Region bis hin nach Nordindien. Die persische Schriftsprache diente seit der Staatsgruendung Afghanistans als Amts- und Verwaltungssprache. Das Farsi des Irans unterscheidet sich dabei von Dari hauptsaechlich in der Phonetik, der Akzentuierung und Silbenstruktur. Das Dari der Bewohner der Hauptstadt Kabul praegt nicht nur die Regierungs- und Wirtschaftssprache Afghanistans, sondern dient auch jenen Volksgruppen, deren Muttersprache weder Paschto noch Dari ist, als Lingua franca.[1]
Bis in die 1960er Jahre war der Titel des in afghanischen Schulen gebraeuchlichen Lesebuchs Qerahate Farsi (Persisches Lesebuch). 1964 benannte das zustaendige Ministerium es in Qerahate Farsi e Dari und schliesslich in Qerahate Dari um. Waehrend die Bevoelkerung die Landessprache haeufig noch Farsi nennt, verwenden die staatlichen Institutionen und Medien die Bezeichnung Dari.[38]
Johann Friedrich Kleuker verwendete 1776/77 erstmals im deutschen Sprachraum die Bezeichnung Deri fuer das Persische, das sich seit der Sassanidenzeit als Hofsprache aller Laender des iranischen Hochlandes entwickelt hatte.[39] 1818 verwendete Joseph von Hammer-Purgstall dieselbe Bezeichnung bei seiner UEbersetzung des Diwans des Dichters Hafis.[40] Die Bezeichnung Dari kam im 9./10. Jahrhundert am Hof der Samaniden in Mittelasien auf, die das Persische zur Hofsprache erhoben hatten.[41]
Das afghanische Persisch oder Dari ist eng verwandt mit dem Tadschikischen, und die groesste persischsprachige Bevoelkerungsgruppe in Afghanistan sind Tadschiken. Dennoch ist die Sprachbezeichnung Tadschikisch nur fuer das Persische Tadschikistans und einiger anderer Gebiete der ehemaligen Sowjetunion ueblich, in denen tadschikische Minderheiten leben. Tadschikisch wird meist in kyrillischer Schrift geschrieben, waehrend Dari ebenso wie Persisch in persisch-arabischer Schrift geschrieben wird.
Regionale Nationalsprachen
Daneben sind fuenf Minderheitensprachen seit 1980 in jenen Regionen als Nationalsprachen anerkannt, in denen diese von der Mehrheit gesprochen werden; die Wichtigste ist Usbekisch. Auch Turkmenisch, Belutschisch, Paschai und Nuristani (Kati) haben unter der Regierung Hamid Karzais eine Aufwertung erfahren.[1]
Englisch
Englisch war bereits zu Zeiten Britisch-Indiens die Handels- und Geschaeftssprache in Afghanistan. Auch nach der Unabhaengigkeit vom Vereinigten Koenigreich im Jahr 1919 wurde in Afghanistan Englisch als internationales Kommunikationsmittel gelernt. Die afghanische Verfassung ist auch in englischer Sprache verfuegbar. Auch auf Plakaten, in der Werbung und der offiziellen Beschilderung wird es verwendet. Es gab Bestrebungen, Englisch zur dritten Amtssprache Afghanistans zu erheben.
Urdu
Die Muttersprache der Hindu- und Sikh-Minderheit in Afghanistan ist Urdu. Die grosse Beliebtheit von indischen und pakistanischen Filmen fuehrte dazu, dass auch in anderen Bevoelkerungsteilen Urdukenntnisse vorkommen. Urdu wird von einigen afghanischen Dichtern als Literatursprache verwendet und zudem in manchen afghanischen Schulen als Fremdsprache unterrichtet.