Quelle: Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/hintergrund-afghanistan-frauenrechte-taliban-100.html
In Afghanistan unter den Taliban werden Maedchen und Frauen immer staerker benachteiligt. Fuers Regime sind Frauenrechte ein Faustpfand im Kampf gegen die Sanktionen der Welt. Sie sind aber auch Gegenstand interner Differenzen zwischen den Fraktionen. Eine Geburtsklinik in Badakshan im Norden von Afghanistan. In langer Schlange warten hier Frauen auf Behandlung; getrennt von ihnen: die zur Begleitung mitgekommenen Ehemaenner, Brueder oder anderen maennlichen Verwandten. Sie alle warten jedoch vergebens. Denn, so meldet eine Frauenaerztin: bereits am Vortag haben die radikalislamischen Taliban die Klinik geschlossen.
„Wissen Sie, was hier am 1. Januar passiert ist? Alle 120 Angestellten wurden gezwungen, zu Hause zu bleiben. Und in der Nacht sind mehrere Patientinnen gestorben, weil keine AErztin und keine Hebamme mehr da war.“
Die ganze Klinik, sagt die Gynaekologin, soll jetzt nach Ostafghanistan verlegt werden. Und wenn sie dort wiedereroeffnet wird – im erzkonservativen Kernland der Taliban – dann moeglicherweise ganz ohne AErztinnen und weibliches Fachpersonal. In einem Land, in dem Frauen nicht von Maennern untersucht und behandelt werden sollen, kaeme das einem Ausschluss von der medizinischen Versorgung gleich.
Fortgesetzte Entrechtung der Maedchen und Frauen
„Die Taliban glauben sowieso, dass sich Krankheiten heilen lassen, indem man bestimmte Verse des Koran vorliest.“
Angesichts der juengsten Frauendekrete der militant-islamistischen Taliban-Fuehrung ist Leila nicht viel mehr geblieben als Sarkasmus. Die junge Frau, die eigentlich anders heisst, kommt aus dem westafghanischen Herat und hat ihr Lehramts-Studium dort bereits abgeschlossen. Seit der Machtuebernahme der Taliban im August 2021 organisiert sie zusammen mit Gleichgesinnten Proteste gegen die fortgesetzte Entrechtung. Afghaninnen duerfen nur noch bis zur sechsten Klasse zur Schule gehen. Seit Ende Dezember duerfen sie nicht mehr fuer Nichtregierungsorganisationen taetig sein. Und nur Tage zuvor war Frauen per Dekret auch das Studium an Universitaeten untersagt worden. Leila:
„Am Tag der Unischliessung wurden Klausuren geschrieben. Und dann kam ploetzlich die Aufforderung, Frauen sollten das Unigelaende raeumen. Die Studentinnen waren sehr wuetend und wollten das nicht akzeptieren. Mitten aus der Klausur heraus die Universitaet verlassen? Einfach nach Hause gehen und dort rumsitzen? Was sollte das?“
Schuesse in die Luft und Wasserwerfer gegen die Demonstrantinnen
Einige Studentinnen entschlossen sich sofort, gegen diesen Erlass zu demonstrieren. Es bildeten sich zwei Gruppen. Die eine versammelte sich spontan vor dem Rathaus von Herat. Die andere wollte in der Universitaet protestieren. Die Taliban verhinderten das; sie schossen in die Luft und setzten Wasserwerfer gegen die Demonstrantinnen ein.
Leila gehoert zu einer Generation junger Frauen in Afghanistan, die mit der Aussicht auf Ausbildung, Studium und Beruf aufgewachsen sind. Dass ihre Heimat nun das wohl einzige Land der Welt sein soll, das so etwas verbietet, loeste bei ihr und ihren Altersgenossinnen zuerst Unglauben aus. Und dann Empoerung.
„Am Anfang haben die Taliban auf unsere Proteste nicht aggressiv reagiert; sie haben uns nicht ernst genommen. Aber auf der zweiten Demo merkten sie, wie viele wir waren. Dann wurden sie wuetend und beschimpften uns als schamlose Frauen. Sie bedrohten uns mit Waffen. Und sie setzten Peitschen ein, um uns zu schlagen.“